Fotoserie, 145 x 110 cm / 15-teilig
Stephanie Senge aus ihrem „Making-Of“ (Text-Auszug):
Infolge meines Bedürfnisses, ein Land auch durch seine täglichen Konsumprodukte und Supermärkte besser kennenzulernen, besuchte ich auch in Tokyo Discounter und Supermärkte. Ich fand die 100-Yen-Shops, große, meist versteckte Ketten, die es seit den 80er Jahren in Japan gibt (Zeit der Inflation) und in denen alle Dinge nur 100 Yen kosten. Die meisten Artikel sind Made in China, was auch in unserer westlichen Gesellschaft die meisten Billigprodukte kennzeichnet. Monatelang durchstöberte ich sämtliche Läden und fand unglaubliche Dinge unter den zum Teil unerträglichen, sinnlosen Hässlichkeiten! Ich fing an, anstatt mit Blumen mit 100-Yen Shop-Produkten in den von mir erlernten Ikebana-Stilen Shoka (gebogene Blume), Moribana (Busch) und Freestyle Ikebana-Gestecke nach den von mir gerade erlernten Blumenvorbildern zu bauen. Wie ich auf meiner Forschungsreise festgestellt habe, sind die Japaner sehr effizient und praktisch, aber auch achtsam und genau im Umgang mit den Dingen der Alltagskultur. So begeistern sie sich unter anderem für bewährte, fremde Kulturtechniken wie zum Beispiel aus Korea, China oder Europa, kopieren diese aber nicht nur, wie es andere Kulturen gern machen, sondern studieren sie sehr gewissenhaft und verfeinern sie, ihren eigenen Bedürfnissen entsprechend. Ein Beispiel: In Tokyo sah ich in den Kaufhäusern sehr feine, europäisch anmutende Konditoreien mit köstlich aussehenden Torten. Wie gewohnt dachte ich: „So etwas esse ich bestimmt nicht, denn in einem fremden Land schmecken ja nur die landestypischen Produkte.“ Falsch gedacht. Nachdem ich sie doch probiert hatte, musste ich zugeben, dass diese japanischen „europäischen Torten“ viel besser waren als in Deutschland! Später habe ich genau das Gleiche gemacht wie die Japaner mit unseren Torten.
Für die Präsentation meiner Ikebana-Objekte stand ich vor dem Problem, wie ich den Geist und die Idee des Ikebana aus der japanischen Gepflogenheit, alles auf dem Boden stehend zu präsentieren, am besten in unsere westliche Raumkultur übersetzen könnte. Um ein Ikebana zu betrachten, kniet man sich davor, verbeugt sich vor der Kunst des Meisters und betrachtet das Werkstück aufmerksam. Danach verbeugt man sich wieder und steht auf. Wenn man das Ikebana baut, hat man dieselbe Perspektive, da man die Linienführung und Proportionenregeln von ihr aus am besten kontrollieren kann. Um diesen idealen Blick für alle Betrachter nachempfindbar zu machen, entschied ich mich, einige Objekte für die Fotoserie Ike-100-Yen-Shop in einem möglichst japanischen, schattenfreien Raum zu fotografieren. Diese Serie fungiert auch als eine Art Werbefotoserie für die Vielfalt des Produktangebotes der 100-Yen-Shops.