Konsumkonstruktivismus III, 2014

Mit einem Text von Miriam Fuggenthaler(ganz unten)

tetesept
„Mehr Inhalt Entspannung/ Homage to the Square: Blue Secret II (Josef Albers)“, Acryl auf Holz, Teteseptverpackungen, 122 x 122 x 5 cm, 2015

 

ramaKl
„50g mehr Rama Qualität/ Kreis des Aufgangs II (Erich Buchholz)“, Acryl auf Holz, Margarinenverpackung, 58,5 x 41 x 10 cm, 2015
gardinenKl
„10% gratis Gardinenwaschmittel / Komposition mit kleinem gelben Quadrat (Walter Deixel)“, Aral auf Holz, Waschmittelverpackung, 72,5 x 52 x 7 cm, 2015, Sammlung Heinz und Anita Beckers

 

nesquik
„Vorteilspack Nesquick / Cantus firmus II(Günther Fruhtrunk)“, Acryl auf Holz, Kakaoverpackung, 166 x 156 x 7 cm, 2015, Sammlung Gerhard Müller-Rischart
persilKl
„10% mehr Inhalt Persil (Universal&Color)/ Vierfarbige Struktur (Max Bill)“, 140 x 56 x 10 cm, 2015, Sammlung Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt
suppenliebeKl
„Gratis Suppenliebe / Progression von vier gleichen Gruppen (Richard Paul Lohse)“, Acryl auf Holz, Tütensuppenverpackungen, 120 x 120 cm, 2015

Text von Miriam Fuggenthaler: Konstruktivismus III

Die dritte und nunmehr letzte Phase des Konsumkonstruktivimus ergab sich für Stephanie Senge während der Arbeit an der Ausstellung „Jetzt noch mehr Inhalt!“ im Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt (8.3.–7.6.2015). Für die Ausstellung hat die Künstlerin einzelne Werken aus der Sammlung des Museums ausgewählt und auf diese reagiert: Sie schuf acht Arbeiten, die als Remakes, Zitate oder Weiter- entwicklungen von Klassikern der Konkreten Kunst verstanden werden können. Bilder beispielsweise von Richard Paul Lohse (1902–1988),
Max Bill (1908–1994) oder Josef Albers (1888–1976) wurden von Stephanie Senge in konsumkonstruktivistische Werke übersetzt. Dies geschah, indem Senge die Klassiker genau studierte, um sie später möglichst exakt nachzu- malen. Anstatt der ursprünglichen Leinwände verwendete die Künstlerin jedoch Holzbretter als Untergrund, deren Maserungen sie häufig als stilbildendes Mittel einsetzte, um eine klare Distanz zu den Originalen zu schaffen. Die strengen, geometrischen, teils mathematischen Kompositionen ergänzte sie durch formal und sogar farblich passende Konsumprodukte, die sie in die Holzplatten einfasste. Allen in dieser Serie verwendeten Verpackungen ist gemeinsam, dass sie mit „mehr Inhalt“ oder „gratis“ werben. Einen Zuwachs an Inhalt erlan- gen einerseits die Produktverpack- ungen, da sie Teile eines Kunstwerks geworden sind, andererseits die „Ursprungsbilder“, denn sie wurden durch die ergänzten Konsumartikel thematisch erweitert. Stephanie Senge verbindet mit den Konsumartikeln eine Art Hassliebe.
Sie ist fasziniert von deren inhaltlichen und ästhetischen zeitgeschichtlichen Bedeutungen. Zugleich fühlt die Künstlerin sich jedoch auf vielschich- tige Weise ohnmächtig gegenüber den Verpackungstexten, die den Konsumen- ten etwas geradezu Utopisches ver- sprechen und darüber hinaus die Verpackungen ästhetisch verunstalten. Wie die Ikebana-Gestalter, die für ihre Gestecke Blumen und Zweige beschnei- den, um deren wesentliche Schönheit herauszuarbeiten, übermalte Stephanie Senge für sie störende und überflüssige Elemente, vor allem Texte, auf den Konsumverpackungen. So macht die Künstlerin für sie bedeutenden Bestand- teile sichtbar: Dies können einfache geometrische Formen sein, wie auch ein absurder Spruch auf der Verpackung, den man als Konsument in der Regel gar nicht wahrnehmen würde. Die österreich- ische Kaffeefirma Julius Meinl wirbt beispielsweise auf ihren Verpackungen im Kleingedruckten mit dem Slogan „Inspiriert Poeten seit 1916“ – ein Grund für Stephanie Senge, genau diesen Kaffee für ihre Kunstwerke auszuwählen. So gelingt es der Künstlerin, den Betrachter ihrer Werke auf kaum bis gar nicht beachtete Details von Konsum- verpackungen aufmerksam zu machen, angefangen von der farblichen Gestal- tung, bis hin zu den Texten. Der Betrachter, dessen Wahrnehmung durch die Kunst von Stephanie Senge geschärft wurde, schaut sich im Idealfall auch in der Rolle als Konsument die Produkte im Supermarktregal, eines Kunstwerks gleich, ganz genau an. Er registriert wie die Werbung auf den Verpackungen mit Texten und Bildern versucht, zum Kaufen anzuregen und entscheidet sich dann ganz bewusst und auch selbstbewusst als starker Konsu- ment aktiv für ein Produkt. Er ist nicht Konsumopfer sondern Konsumtäter.